Leave a comment

Nette Begegnungen und Zustände wie im Gefängis

Der Sommer kann kommen, nachdem ich mich heute Nachmittag wieder ins Einkaufszentrum gewagt habe. Langärmlige luftige Sommerkleidung ist nun genug vorhanden. Anschließend war ich noch in einem Geschäft für Tierbedarf. Es war ziemlich warm drinnen was angenehm war, da es draußen geregnet hat und entsprechend kühl war. Beim Eingang lief mir eine junge Angestellte über den Weg und grüßte mich, ich grüßte ebenfalls. Sie war kurzärmlig unterwegs und mein Blick blieb an ihrem linken Arm hängen. Narben. Eindeutige Narben, stark verblasst, aber durchaus noch zu erkennen, wenn man “aus der Szene” ist. Als ich alles im Einkaufswagen verstaut hatte und sie mit dem Scanner hinter der Kasse hervorkam, damit ich nicht alles ausräumen muss, wurden auch die letzten Zweifel ausgeräumt: ein paar rote, wulstige Narben auf ihrem Unterarm. Ich grinste in mich hinein.
Kurzzeitig habe ich überlegt, ob ich etwas sagen soll. Ich habe es bleiben gelassen. Mir ist es unangenehm, wenn mich ein Kunde in der Arbeit darauf anspricht (kam ja schon einmal vor), und ich glaube, mir wäre es auch unangenehm wenn es jemand wäre, der sich auch selbst verletzt. Einfach weil man nicht unter sich ist, sondern noch Kollegen rundherum, andere Kunden…
So habe ich mich einfach an dem Wissen erfreut, nicht alleine zu sein.

Nachdem ich dann auch noch Lebensmitteln einkaufen war, rief der neue Fluglehrer an. Ob ich in der Nähe vom Flugplatz wäre, er müsse mir etwas geben. 10 Minuten später trafen wir uns dort und er drückte mir eine fertige Flugvorbereitung in die Hand, mit der Aufgabe, das ganze bis Sonntag selbst und händisch zu machen – wenn möglich mit den gleichen Ergebnissen.

Ich war ja für heute mit Melanie verabredet. Eigentlich wollten wir spazieren gehen, doch das Wetter machte uns einen Strich durch die Rechnung. Da sie kein Auto zur Verfügung hatte, fuhr ich zu ihr. Sie schien etwas geknickt, da ich ursprünglich vorgeschlagen hatte, ihr den Flugplatz zu zeigen. Mangels Alternativen fuhren wir dann aber doch zum Flugplatz und anschließend zu mir. Nur: ich war in keinster Weise darauf vorbereitet. Ich hatte nur Wasser zuhause, und als Melanie dann auch noch fragte, ob ich etwas zu essen hätte, wurde es überhaupt peinlich. “Nur eine Scheibe Brot oder Obst oder so” meinte sie. Ich hatte nicht mal mehr Brot eingefroren, dass ich schnell im Backrohr auftauen hätte können. “Ähm…also Knäckebrot hätte ich da!” Sie saß da also bei Leitungswasser und Knäckebrot, mir war es schrecklich peinlich, aber sie war glaube ich nicht ganz unglücklich darüber. Ich glaube sie kämpft noch immer ziemlich mit dem Essen und da war es ihr vermutlich gar nicht so unrecht, dass ich kein richtiges Brot dahatte, Knäckebrot hat ja viel weniger Kalorien. Trotzdem ist es irgendwie ein ungutes Gefühl, vielleicht ihre Essstörung “unterstützt” zu haben. Sie ist ja eh schon so dünn.

Und daran merkt man auch wieder, dass ich meine Essstörung zwar nicht aktiv auslebe, aber im Kopf ist sie immer noch da. Es macht mich echt fertig, dass Melanie so viel dünner ist als ich. Es fällt mir total schwer in ihrer Anwesenheit zu essen oder zu trinken, weil ich dann immer denke, dass sie sich denken muss, wie “unkontrolliert” ich bin. Ich kenne das ganze ja auch aus ihrer Perspektive und wenn ich richtig tief in so einer Essstörungsphase drinstecke, beschäftige ich mich total damit, wie andere essen und denke mir manchmal: “Boah…wie die das in sich hineinstopft. Und das ganze Fett, was da dran ist, das wäre ja echt nicht nötig. Aber ich brauche das alles nicht, ich bin stärker als die.” Und die Vorstellung, dass sie denkt, dass ich irgendwie schwach und unkontrolliert bin, macht mich echt fertig.

Böse Gedanken. Raus aus meinem Kopf.
Bei mir ists wie im Gefängis, es gibt nur Wasser und Brot.

Leave a comment